In
Bottrop und Essen kam es in der Silvesternacht zu mindestens vier
rassistischen Anschlägen. Insgesamt wurden dabei acht Menschen verletzt.
Eine Frau schwebte in Lebensgefahr und konnte nur durch eine
Notoperation gerettet werden. Der Täter gab bei seiner Vernehmung
ausdrücklich rassistische Motivationen zu, doch anstatt einer Debatte über Rassismus und Terror hat sich im Internet und in der Politik mal wieder eine Debatte über das Asylrecht entzündet.
Wenn ein Mensch aus rassistischen Motiven sein Auto als Waffe einsetzt,
um ganz gezielt Menschen mit vermeintlichem Migrationshintergrund zu
töten ist das Terrorismus und muss eben so benannt werden. Umso
erschütternder sind der Rassismus und die Relativierungen ausgehend von
Teilen der Politik, der Medienlandschaft und in den Kommentarspalten der
sozialen Plattformen. Ein Beispiel für die Verharmlosung der Anschläge
von Bottrop ist ihre Verknüpfung mit den Gewaltdelikten von Amberg, wo
in der Silvesternacht vier Migranten mehrere Menschen leicht verletzt
haben. Durch Artikel wie „Attacken in Bottrop und Amberg – Was bislang
bekannt ist“ (1) entsteht der Eindruck, dass es zwischen beiden
Ereignissen eine Verbindung gibt und diese miteinander vergleichbar
wären. Die eine Tat soll gegen eine Andere, vollkommen verschiedener
Qualität, aufgewogen werden, um eine moralische Gleichsetzung zu
erzielen. Dass Bottrop und Amberg völlig unterschiedliche Ausmaße und
Hintergründe haben wird ausgeblendet, um sich mit weiterem Rassismus
gegen den Rassismusvorwurf zu wehren.
In dieser Tradition
steht auch die Aussage vom Bundesinnenminister Horst Seehofer (2), wenn
er sagt: „Es gehört zur politischen Glaubwürdigkeit, beide Fälle mit
Entschiedenheit und Härte zu verfolgen.“. Als wäre diese falsche
moralische Äquivalenz nicht ausreichend genug für blankes Entsetzen,
schiebt er noch die Forderung nach konsequenteren Abschiebungen
hinterher. Nicht nur, dass die Forderung „kriminelle Ausländer raus“,
welche lange Zeit als Erkennungsphrase von Rechtsextremen galt, es
inzwischen in nahezu alle Parteien geschafft, kann man sich nicht des
Eindruckes erwehren, dass die Frage im Raum steht: Hätte Bottrop
verhindert werden können, wenn wir konsequenter abgeschoben hätten?
Durch diese Täter-Opfer-Umkehr wird den Opfern von Rassismus und konkret
der genannten Anschläge sogar noch eine Mitschuld bescheinigt. Außer
Horst Seehofer, von dem wir schon einiges gewöhnt sind, schaffte es
jedoch auch die
stellvertretende Regierungssprecherin Martina Fietz
(3) nicht Rassismus zu verurteilen, ohne im gleichen Atemzug mit dem
Finger auf andere zu zeigen: „Es gibt in Deutschland keinen Platz für
Extremismus und Intoleranz, egal, von welcher Seite ein solches
Verhalten komme“
Die Verknüpfung von Bottrop und Amberg ist im
Übrigen nicht nur moralisch falsch, sondern sie verstößt auch gegen
journalistische Grundsätze und offenbart wie allgegenwärtig Rassismus in
Deutschland ist. Zum guten Journalismus gehört es die räumliche
Relevanz von Nachrichten einzuschätzen und die persönlichen
Informationen von Beteiligten nur dann Preis zugeben, wenn diese für das
Ereignis wichtig sind. Weder sehen wir im Fall Amberg im Gegensatz zu
Bottrop eine bundespolitische Relevanz, noch erscheint es uns für die
Tat von Bedeutung, dass die Täter einen Migrationshintergrund haben.
Gänzlich ohne Worte lässt uns jedoch die Relativierung des
nordrhein-westfälischen Innenministers Herbert Reul (4), der von
„Fremdenhass aus persönlicher Betroffenheit und Unmut“ spricht. Immerhin
wäre der Täter HartzIV-Empfänger und Langzeitarbeitsloser gewesen. An
dieser Stelle fragen wir uns ab wie viel „persönlicher Betroffenheit“
ein Terroranschlag gerechtfertigt ist. Wir wollen uns gar nicht den
medialen Aufschrei vorstellen, hätten Regierungssprecher*innen solche
Aussagen bei anderen Terroranschlägen getroffen.
Wir stehen
solidarisch an der Seite der Opfer von jedwedem Rassismus und diesem
entschieden entgegenzutreten: im Alltag, in den sozialen Medien, in der
Politik, aber auch in den Nachrichten. Die Anschläge von Bottrop müssen
als das bezeichnet werden, was sie sind: rassistisch motivierter
Terrorismus.
Quellen:
(1) https://www.tagesschau.de/inland/bottrop-amberg-101.html
(2) https://www.deutschlandfunk.de/pruegelangriffe-und-amokfahrt-politik-reagiert-mit.1766.de.html?dram%3Aarticle_id=437272
(3) https://www.youtube.com/watch?v=2uV-hT1Yf_c
(4) https://www.zeit.de/news/2019-01/02/mann-faehrt-aus-fremdenhass-in-menschengruppen-190101-99-399840