Was ist Chauvinismus?

Womit lässt sich der Geist oder die Einstellungen transexklusiver Feministinnen am besten beschreiben? In dieser Reihe wollen wir uns verschiedene Diskriminierungsformen in ausgewählten  Aspekten anschauen und prüfen inwiefern sie dem Denken von Terfs entsprechen. Üblicherweise nennt man es transphob oder transfeindlich, aber könnte z.B. auch chauvinistisch eine passende Beschreibung sein?

Der Duden definiert Chauvinismus auf zwei verschiedene Weisen: nach dem ersten Eintrag ist es “aggressiv übersteigerter Nationalismus verbunden mit Nichtachtung anderer Nationalitäten”. Nach einem zweiten Eintrag gibt es aber auch noch eine übertragene Form, nämlich “männlicher Chauvinismus”: “Grundhaltung von Männern, nach der Frauen allein aufgrund ihres Geschlechts gering geachtet werden”. 

Worin genau besteht aber diese Geringachtung? Was denkt ein chauvinistischer Mann über Frauen?

Ein gutes Beispiel für diesen männlichen Chauvinismus findet sich bei Henry de Montherlant. In Die jungen Mädchen beschreibt er seinen Ekel vor “diesem süßlichen, fast Übelkeit erregenden Geruch und vor diesem Körper ohne Muskeln, ohne Nerven wie eine weiße Gartenschnecke”. Während er die Frau als schwach verachtet, bleibt er aber doch sexuell auf sie bezogen: “Kaum saßen sie nebeneinander, legte er die Hand (über dem Kleid) auf den Schenkel des jungen Mädchens, dann hielt er sie mitten auf dem Bauch fest, wie ein Löwe seine Pranke auf ein Stück Fleisch legt, das er sich erobert hat”. Auch nach Friedrich Nietzsche ist die Frau zu verachten und auch wenn der Mann sie sexuell begehrt, ist es besser, wenn er ihr gegenüber seine Unabhängigkeit bewahrt: “Die Frauen wollen dienen und haben darin ihr Glück: und der Freigeist will nicht bedient sein und hat darin sein Glück.” Der Mann behält also die Frau als Dienerin oder Unterworfene, ähnlich wie in der Sklaverei oder im Nationalismus die Anderen noch als Sklaven oder Handelspartner  genommen werden. Die Geringachtung besteht beim Chauvinismus gerade darin, dass Mann und Frau durch die Ehe und natürlich genommene Heterobeziehung füreinander bestimmt sind, dass aber Mann und Frau darin nicht als gleichberechtigt angesehen werden.

Was ist Phobie?

Lassen sich Einstellungen von Terfs vielleicht besser durch einen Vergleich mit Homophobie beschreiben?

Ein gutes Beispiel gibt der Film Blau ist eine warme Farbe, der durchaus kein feministisches Meisterwerk ist, da sich im Bild häufig die männliche Phantasie und am Set die missbräuchlichen Praktiken des Regisseurs Abdellatif Kechiche durchgesetzt haben. Beispielhaft ist der Film aber in seiner Darstellung von Homophobie: nachdem die Protagonistin Adèle mit einer blauhaarigen Frau gesehen wurde, beginnen ihre Freundinnen zu vermuten, dass sie eine Lesbe sein müsse. Während sie sie auf dem Schulhof bedrängen, tut sich eine Kindheitsfreundin besonders hervor: “Aber du hast mehrmals nackt bei mir geschlafen. […] Sie ist doch ‘ne Hure! Schläft nackt bei mir und glotzt auf meinen Arsch! […] Meine Muschi leckst du nicht!”. Ihr geht es also anders als beim Chauvinismus (siehe Teil 1 dieser Reihe) nicht darum, dass Adèle als Lesbe von ihr beherrscht werden könnte, sondern fürchtet sich vielmehr davor, dass sie getäuscht wurde. Allein dass Adèle auch nur einen begehrlichen Gedanken ihr gegenüber gehabt haben könnte, beunruhigt sie, macht Adèle eigentlich direkt zur Sexualstraftäterin, die sich nur heimlich den nichtsahnenden Frauen nähern will. Diese Angst als Homo-Phobie zu bezeichnen, wird kritisiert, weil die Endung -phobie impliziere, dass damit die bewusste Seite der Diskriminierung verschleiert würde und stattdessen sowohl psychische Krankheiten in die Nähe dieses Verhaltens, als auch das Verhalten als psychische Störung entschuldigt werden würde. Insofern Phobie aber Angst meint, kann der Unterschied zu Chauvinismus darin sehr gut dargestellt werden: denn die Freundin von Adèle sieht in ihr nicht eine natürlich Unterlegene, sondern eine unnatürliche Perverse. Sie verachtet die Andere nicht in der Sicherheit ihrer Herrschaft, sie strebt gar keine Herrschaft über sie an. Ähnlich wie bei der Angst vor der Verschwulung der Jugend, geht es um die Furcht vor dem Unnatürlichen. 

Was ist Feindlichkeit?

Lässt sich vielleicht besser über Diskriminierung sprechen, indem wir sie unter dem neutraleren Begriff Feindlichkeit subsumieren?

Ein Versuch die Konnotation der Phobie-Endung zu vermeiden, ist, sie durch -feindlichkeit zu ersetzen. Was macht aber eine Feindschaft im Unterschied zu einer Angst oder einer demütigenden Unterwerfung (wie im Chauvinismus) aus? Nach dem Nationalsozialisten Carl Schmitt ist der Feind jemand, der die “eigene, seinsmäßige Art von Leben” bedroht. Es geht dabei also darum, dass zwei Lebensarten, vielleicht Kulturen, Produktionsweisen oder Sitten so unvereinbar sind, dass sie nicht nebeneinander existieren können. Der Feind bedroht die eigene Existenz, das was es ausmacht, man selbst zu sein. Es liegt nahe, dass der Feind dementsprechend vernichtet oder wenigstens unterworfen werden muss, wenn die eigene Existenz erhalten bleiben soll. Es ist dafür natürlich wichtig zu unterscheiden, inwiefern die Anderen die eigene Existenz negieren: tun sie es z.B. nur aus veränderbarer Gewohnheit oder weil sie biologisch dazu programmiert sind? Es ist also ein Unterschied ob der Feind als Klasse (Bourgeoisie) vernichtet werden soll, dafür theoretisch aber kein Mensch zu Schaden kommen muss, oder der Feind eine Rasse ist, wie der Jude im Nationalsozialismus. Damit der Feind die eigene Existenz aber überhaupt bedrohen kann, muss er natürlich auch eine entsprechende Macht besitzen und bei den Antisemiten finden wir diese Vorstellung in der jüdischen Weltverschwörung wieder: eine übermächtige Lobby soll in der Lage sein die Regierungen und Völker zu beherrschen, nur um ihre niederen Gelüste zu befriedigen.

Chauvinismus, Homophobie und Feindlichkeit unterscheiden sich also in wichtigen Punkten: Feindlichkeit geht so erst einmal auf ungelöste Widersprüche zwischen den “Lebensarten” zurück. Die Phobie dagegen zeichnet es aus, dass zwar Widersprüche existieren, diese aber nicht reflektiert werden und deswegen als Unbekanntes Angst machen. Was den Chauvinismus aber vor den anderen beiden auszeichnet, ist das höhnische Gelächter. Der Mann ist sich über seine Stellung zur Anderen völlig bewusst, er weiss von seinem Privileg und lacht sie für ihre Schwäche und Ohnmacht aus. Es ist die Entsolidarisierung im vollen Bewusstsein dessen, was man dabei tut.

Was denken Terfs?

Zwischen Chauvinismus, Phobie und Feindlichkeit, wo lässt sich transexklusiver Feminismus am besten einordnen? Es liegt nahe sich dafür auch anzuschauen, was Terfs fürchten, worüber sie lachen und wie sie ihre politischen Gegner einschätzen; also zu schauen, worin Terfismus konkret besteht. Terfs haben also chauvinistisches Denken insofern übertragen, dass sie trans Frauen beispielsweise als Loser-Männer betrachten, die man für ihre Schwäche, für eine schief sitzende Perücke oder ein schlechtes Makeup verlacht. Aber sie sehen trans Personen dabei nicht als ihre natürlichen Dienerinnen an, sondern sehen in ihnen Unnatürlichkeit und Perversion: so gibt es z.B. wie in der Homophobie die Vorstellung, dass trans Frauen letztlich nur in Frauenräume eindringen würden, um dort leichter vergewaltigen zu können. Oder, dass sie als ‘trap’ in diesem Fall Lesben täuschen bzw. zwingen wollen, mit ihnen Sex zu haben. Aber an dieser Stelle wird auch schon ein Unterschied zur Homophobie deutlich. Denn anders als die Schwulen und Lesben sei es eben nicht nur eine Heimtücke der trans Frauen, sondern auch eine weit etablierte Herrschaft der ‘trans lobby’, die Regierungen, Ärztinnen und LGB-Communities durch cancel culture dazu zwingt ihrer Agenda zu folgen. Insofern sind die sogenannten Trans Rights Activists ein Feind, weil sie die Grundlage des feministischen Kampfes, die Möglichkeit überhaupt noch Schutzräume zu errichten, beseitigen würden. 

Man kann also sagen, dass es verkürzt ist, Terfs einfach nur als Chauvinistinnen zu bezeichnen, wenn man darunter die historische Form von männlichem Chauvinismus versteht. Da Terfismus nämlich seinen ganz eigenen Ausdruck der Verachtung und der Entsolidarisierung gefunden hat. Der Chauvinismus zeigt sich aber deutlich, insofern er sich vor Phobie und Feindlichkeit durch sein wohlwissendes Gelächter, durch seine Verachtung der Schwäche und den Genuss derselben auszeichnet. Es ist dabei aber kein beliebiger Hass, sondern entspricht der historischen Entwicklung: trans Frauen und Terfs sind in keiner Ehe, sie sind keine zwei Nationen, nicht Sklavin und Herrin.